El Gran Movimiento
Regie: Kiro Russo, Bolivien 2021, 85 min, OmeU, keine FSK
Filmreihe: Tage des indigenen Films
Der Minenarbeiter Elder erreicht mit seinen Freunden nach einem strapaziösen Marsch die bolivianische Hauptstadt La Paz, um sich dort dem Streik der Bergleute für bessere Arbeitsbedingungen anzuschließen. Da sie ihre Stellen bereits verloren haben und der Weg zurück keine Perspektiven bietet, stranden sie in der Stadt und werden von ihr verschluckt. Elder wird durch eine mysteriöse Krankheit heimgesucht. Seine vermeintliche Verwandte Mama Pancha besorgt den Männern Knochenjobs auf dem Markt, doch Elder driftet immer weiter in eine Welt der Fieberträume ab. Der eremitische Eigenbrötler Max, selbst geplagt von düsteren Visionen, nimmt sich Elders Heilung an. So verbindet er das Diesseitige mit dem Jenseitigen, was in Elder und vielleicht auch in ganz La Paz aus den Fugen geraten scheint.
La Paz ist die eigentliche Protagonistin, der sich die Zuschauer*innen Schicht für Schicht annähern. Erst von außen mit der Perspektive aus der Seilbahn, die das höher gelegene El Alto mit dem unüberschaubaren Moloch der Stadt verbindet, sich dann immer tiefer in die Gassen, die Beziehungen und schließlich ins Innenleben der Bewohner*innen begebend. Der materielle Notstand der Arbeiter steht einem spirituellen Notstand gegenüber, so bedarf es zur Heilung neben den Arbeitskämpfen die Perspektiven der Außenseiter, von denen man nicht weiß, ob sie Schamanen oder Scharlatane sind.
Laut dem bolivianischen Filmemacher Kiro Russo ist La Paz die am wenigsten westliche Hauptstadt Südamerikas. In EL GRAN MOVIMIENTO illustriert er die Gleichzeitigkeit von kolonialer Kontinuität, sozialem Aufbruch, Vorstellungen von Modernität, Popkultur und indigenen Traditionen, die auf die Charaktere in der Stadt einwirken und von ihnen verkörpert werden. Das bildgewaltige, auf 16mm-Film gedrehte Werk bleibt rätselhaft und düster, während er Dokumentarisches mit dem Phantastischen vermischt.