
Indigene Kurzfilme
Tellurain Drama | Kasiterit | Octavia's Vision
Filmreihe: Tage des indigenen Films
Zum ersten Mal wird dieses Jahr das Programm der Tage des Indigenen Films durch einen experimentellen Kurzfilmblock ergänzt. In den Arbeiten des indonesischen Filmemachers Riar Rizaldi wird mit Bezug auf indigenes Wissen der Produktionsprozess kapitalistischer Waren und Ideologien und die Stellung indigener Akteur*Innen darin reflektiert. Zara Zandiehs Film Octavias Vision entwirft eine intersektionale Utopie, die den ethnozentrischen Blick auf indigene Kultur hinterfragt.
Tellurian Drama
Indonesien 2020, Bahasa Indonesia mit englischen Untertiteln, 26min
Am Fuße des Berges Malabar im Westen der indonesischen Insel Java zeugen Ruinen davon, dass hier vor langer Zeit die Landschaft genutzt wurde, um mit denen in Verbindung zu treten, die nicht da sind. Es war die niederländische Kolonialverwaltung, die hier in den 1920ern eine Radiostation errichtete, mit der sie die Natur in Schwingung versetzte, um diesen Ort mit ihrer Vision der Zukunft zu verbinden. Wie haben die Geister dieses Ortes auf ihr Einwirken reagiert? Wie hat die Landschaft die Station in sich aufgenommen, als sie nach dem Zweiten Weltkrieg verlassen wurde? Was wird freigesetzt, jetzt wo die Stätte für den Tourismus erschlossen wird? In einem hybriden Ansatz zwischen Fiktion und Dokumentation widmet sich Riar Rizaldi den vielschichtigen Verbindungen zwischen alten und neuen Kulturtechniken unter Einbeziehung der Natur, kolonialer Geschichte und kapitalistischer Gegenwart.
Kasiterit
Indonesien 2019, Bahasa Indonesia mit englischen Untertiteln, 18min
Die künstliche Intelligenz Natasha geht auf die Suche nach ihren Ursprüngen. Sie erkennt, dass ihre Existenz sowohl von der Lohnarbeit Indigener in den Zinnminen auf der indonesischen Insel Bangka, sowie von globalen Kapitalflüssen abhängt. Technologische Produkte benötigen Materialien, die an einem konkreten Ort aus der Erde extrahiert werden. Mikrochips und digitale Bildschirme enthalten Zinn. Ein Drittel des weltweit geförderten Metalls wird auf Bangka aus dem Stein geschlagen. Der Bergbau hat die Insel in einen unwirtlichen Ort skurriler Schönheit verwandelt. Auch scheinbar immaterielle Zukunftstechnologien wie erneuerbare Energie oder eben künstliche Intelligenz basieren auf endlichen Ressourcen, erfordern den Eingriff in die Natur und die globalen Verstrickungen zwischen Gesellschaften.
Neben der Kinofassung von Kasiterit, die auf den Tagen des indigenen Films gezeigt wird, existiert auch eine Version des Projekts als Videoinstallation, bei welcher der Film auf zwei iPhones gezeigt wird. Der Film wird so lange abgespielt, wie zum Abbau des im Gerät enthaltenen Zinns benötigt wird.
Octavia's Vision
Deutschland 2021, Englisch / Deutsch mit deutschen Untertiteln, 18min
Im Jahr 2056 blickt eine Radiomoderatorin zusammen mit der Enkelin der afrofuturistischen Autorin Octavia Butler auf die Vergangenheit der 2020er Jahre. Sie betrachten eine Welt, geprägt von kolonialen Kontinuitäten, erstarkendem Nationalismus und der sich beschleunigenden Klimakrise. Doch seitdem hat sich die Welt verändert. Die 2006 verstorbene Butler gab in ihren Parabeln visionäre poetische Antworten zur Entwicklung einer besseren Zukunft. Der Filmessay Octavia's Vision bezieht Butlers Poesie auf die Gegenwart in Deutschland. Queere, Schwarze Akteur*innen kämpfen für eine Welt, in der sie sein können, wie sie sind und die Vorherrschaft des eurozentrischen Blicks überwunden wird. Die Arbeit wurde vom Humboldt Forum in Auftrag gegeben und kommentiert dessen Ausstellungsgeschichte. Die Kritik an den Darstellungspraxen indigener Kultur fordert auch die Tage des indigenen Films zur Selbstreflexion heraus.