Birdwatchers – Im Land der roten Menschen

Birdwatchers – Im Land der roten Menschen
© Pandora
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Birdwatchers – Im Land der roten Menschen

Regie: Marco Bechis, Brasilien/Italien 2008, 108 min, DF, FSK 12


Im südlichen brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul grenzen die Farmen der Großgrundbesitzer direkt an den Regenwald. TouristInnen machen hier Bootstouren, in der Hoffnung einen Blick auf seltene Vögel zu erhaschen. Als unvergessliches Highlight ihrer Tour fahren sie an einer Gruppe bewaffneter halbnackter Indigener vorbei. Aus der Perspektive der touristischen Bird Watchers führt der Film die Gruppe der Guarani-Kaiowá ein, doch dann kommt es zum Perspektivwechsel. Nachdem das Boot außer Sichtweite ist, schlüpfen Nadio, Osvaldo, Mami und die anderen Guaraní zurück in ihre Jeans und holen sich das bisschen Geld ab, was ihnen für ihre »Indianerperformance« geboten wird. Die Gruppe wohnt zusammengepfercht und ohne Zukunftsaussichten im Reservat. Um über die Runden zu kommen sind sie gezwungen Gelegenheitsjobs wie diesen als Regenwaldattraktion oder als Aushilfe auf den Farmen der Weißen auszuüben. In dem Land, das die weißen Farmer seit drei Generationen annektiert haben, sind ihre Ahnen begraben. Es ist ihr Land.

Nachdem ein weiteres Mal ein junger Guaraní, wie so viele vor ihm, den Entschluss gefasst hatte Selbstmord zu begehen, beschließt der Anführer Nadio mit seinen Leuten das Reservat zu verlassen und sein angestammtes Land zu beziehen. Die Farmer reagieren zunächst relativ gelassen. Doch als sie realisieren, dass sie die Indigenen nicht so schnell wieder loswerden und dass ihr Protest Schule machen könnte, eskalieren die Spannungen. Auf der anderen Seite kommt sich die junge Generation beider Seiten näher und stellt der aufkommenden Gewalt Interesse füreinander und Begegnung entgegen. Durch Perspektivwechsel gelingt BIRD WATCHERS ein vielseitiger Blick auf die verschiedenen AkteurInnen. Die Betrachtungsweise der Guaraní als »vom Aussterben bedrohte Spezies« wird aufgebrochen, wenn die ZuschauerInnen ihren Blickwinkel einnehmen und Weiße mustern.

Die Beteiligten Guaraní hatten vor der Zusammenarbeit mit dem italienischen Regisseur Marco Bechis keine Erfahrung mit Schauspielerei und Kino. Sie spielen ein Stück weit sich selbst. So ist zum Beispiel der junge Osvaldo auch im echten Leben ein Schamane in Ausbildung. Die Schauspielerin Eliane Juca da Silva, welche die Rolle der Mami verkörpert, forderte bei der Premiere des Films in Venedig »We just want a chance to survive.«

Auch die weißen Farmer werden in dem Film mehrdimensional dargestellt. Sie verkörpern die wohlhabende brasilianische Landbevölkerung und ihr moralisches Dilemma. Sie sind es allerdings auch, um deren Stimmen der amtierende rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro erfolgreich buhlte. Er unterstützt die Farmer bei der Verdrängung Indigener von ihrem Land. Die Kontrollbehörden des Staates, die sich ihnen in den Weg stellen sollten, wurden entmachtet und mit Beamten besetzt, die Bolsonaro unterstützen. Morde an indigenen AktivistInnen in den brasilianischen Regenwaldgebieten blieben in den letzten Jahren immer wieder straffrei. Seit Ende 2019 versucht die Regierung Bolsonaro ein Gesetz zu verabschieden, das die illegale Abholzung und Besetzung von öffentlichem Land nachträglich legalisiert, was allerdings bisher, auch aufgrund von internationalem wirtschaftlichen Druck, nicht umgesetzt werden konnte.