Sweet Country
Regie: Warwick Thornton, Australien 2017, 113 min, OmU (Englisch), FSK 12
Vor nicht einmal hundert Jahren war Australien zweigeteilt: Die eine Hälfte hatten weiße Siedler bereits erobert, in großen Teilen des Outbacks lebte die indigene Bevölkerung noch weitestgehend selbstbestimmt. Die Frontier, das Gebiet der letzten Außenposten der Siedler, ist das typische Setting amerikanischer Western. Wo heute die Stadt Alice Springs von TouristInnen als Ausgangspunkt für Ausflüge zum australischen Wahrzeichen Uluru, dem für die dort ansässigen Aborigines heiligen Monolithen, genutzt wird, war noch Ende der 1920er Jahre der vermeintliche »Wilde Westen« Australiens. Hier arbeiteten die Aborigines Sam und Lizzie Kelly auf der Farm des freundlich gestimmten weißen Predigers Smith. Der übellaunige Weltkriegsveteran March übernahm kürzlich die Nachbarranch. Er fragt Smith, ob er seine Angestellten »ausborgen« könne, um seine Koppel zu reparieren. Auf der Farm sind Sam, Lizzy und ihre Nichte Lucy Marchs Misshandlungen ausgeliefert. Auch der junge Aborigine Philomac wurde zu March gebracht, um für ihn zu arbeiten. Als die vielfachen Gewaltausbrüche Marchs in einer für die Aborigines lebensbedrohlichen Situation münden, sehen sich Sam und Lizzie gezwungen die Gerechtigkeit der australischen Gesellschaft auf die Probe zu stellen.
Sweet Country ist ein Neo-Western, der Erzählformen der Aborigines aufgreift. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind miteinander verwoben und stehen gleichberechtigt nebeneinander. Rückblenden und Vorgriffe verweisen auf Zusammenhänge in der Geschichte, die über eine zeitliche Abfolge handlungstreibender Elemente hinausgeht.
Der Film basiert auf einer wahren Geschichte, die der echte Philomac, der Großvater des Drehbuchautors Tranter, erlebt und seinem Enkel erzählt hat. Die Familiengeschichten handeln davon, wie Recht und Gesetz der britischen Krone, die hier offiziell galten, in den kolonisierten Gebieten nicht für alle angewandt wurden und wie der Rassismus des australischen Hinterlandes auch das Leben der nachfolgenden Generationen geprägt hat. Regisseur Warwick Thornton, die Drehbuchautoren, weite Teile der Filmcrew und SchauspielerInnen kommen aus der Gegend, in der auch der Film spielt.
Der Filmemacher Thornton widmete sein bisheriges Schaffen der Kultur der Aborigines und bringt ihre Erzählkultur auf die Leinwand. Er arbeitete bereits als Jugendlicher bei der von seiner Mutter gegründeten Central Australian Aboriginal Media Association und wurde dort zum Kameramann ausgebildet. Sein Langfilmdebüt Samson & Delilah (2009) gilt als erster Spielfilm von und mit Aborigines vor und hinter der Kamera. Werke von Thornton waren Teil internationaler Kunstausstellungen wie der DOCUMENTA (13) in Kassel.